Donnerstag, 5. November 2015

Der Feind meines Feindes...


Ein starker Wind fegte plötzlich durch das Stadtzentrum von Silent Eden und ließ Blätter, Zeitungen und achtlose weggeworfenen Müll in durch die Luft wirbeln. Dann wurde es plötzlich wieder still und die Luft knisterte wie bei einer starken elektrischen Entladung. Er manifestierte sich mitten auf der Straße und es brauchte ein paar Sekunden, bis er sich in seiner neuen Umgebung zurechtfand. Es waren keine menschlichen Zeugen anwesend, was ihm mehr als entgegen kam.



Er seufzte und schob sich seine Kappe zurecht, normalerweise wandelte er unerkannt unter den Menschen und hatte darum immer gerne diese äußere Form gewählt. Diesmal musste er jedoch eingreifen, trotzdem wollte er sein mittlerweile lieb gewonnenes Äußeres beibehalten. Sein Blick ging zu der kopflosen Statue am Ende der Straße. Sie hatte ihn auf diese Stadt aufmerksam gemacht, vor langer Zeit hatten sie diese als eine Art Frühwarnsystem an diesem Ort aufgestellt. Die Barrieren zwischen den Welten waren hier nur sehr dünn, weswegen es nur eine Frage der Zeit war, wann hier Kreaturen aus der anderen Welt durch die dünne Membran durchbrechen würden. Er schloss die Augen und streckte seine geistigen Fühler aus. Mit einem grimmigen Lächeln auf den Lippen registrierte er einige dunkle Präsenzen, doch dann gefror sein Lächeln und zum ersten Mal seit Jahrtausenden spürte er so etwas wie Furcht in sich aufsteigen. Der Spalt, der sich als großer Schlund inmitten der kleine Stadt aufgetan hatte, war weit offen gerissen und eine uralte Böse Macht war kurz davor, durchzubrechen. Die dunkle Bedrohung war so gewaltig, es musste sich um Luzifer selbst oder einen ähnlich mächtigen Dämonen handeln, der in diese Welt eindringen wollte! Er spürte, dass er es nicht mehr rechtzeitig schaffen würde, einen anderen Erzengel zu Hilfe zu rufen und alleine war er dem Dämonenfürsten nicht gewachsen. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf die anderen Wesen. Eine Möglichkeit blieb ihm noch, das drohende Unheil zu verhindern....



Er konzentrierte sich auf die Statue, die das weltliche Abbild des Senders darstellte und tastete nach ihrer wirklichen Gestalt. Als er sie gefunden hatte, stellte er seine Sinne auf ihre Ebene um und gab ihr den Befehl, ihn zu der nächsten bösen Kreatur zu leiten, die mächtig genug war, um seinen Plan durchzuführen. Dort, wo einst der Kopf der Statue gewesen war, glomm nur für ihn sichtbar eine kleine Lichtkugel auf, die rasch anwuchs. Lichtstrahlen brachen durch ihre Oberfläche und tasteten die Umgebung ab. Dann zogen sich die Strahlen bis auf einen wieder zurück und zuckten pulsierend auf der Oberfläche der Kugel. Er schien nicht weit gehen zu müssen, der Strahl deutete auf ein Haus nicht weit von ihm.



Als er sich dem Gebäude näherte, bemerkte er eine bullige Gestalt vor den Türen - der Strahl ging aber an ihr vorbei in das Gebäude, also begann er, die Stufen hoch zu steigen. Der Dämon, der offensichtlich als Wache vor dem Gebäude platziert worden war, blickte ihn erst gelangweilt an, dann verzerrten sich seine Gesichtszüge jedoch zu einer Fratze der Furcht und er wollte sich panisch umdrehen und in das Haus flüchten. "Nicht doch, nicht doch. Wir wollen doch nicht gleich Alle in Aufruhr versetzen!" knurrte er dem Dämonen entgegen und mit einer Handbewegung hüllte er ihn in ein Stasisfeld ein, so dass dieser mit dem dämlichen Ausdruck im Gesicht wie eine Statue erstarrte.  Mit einem Grinsen ging er an dem Türsteher vorbei und folgte dem Lichtstral weiter ins Haus...



Ruby fasste sich auf einmal an den Kopf, der sich plötzlich anfühlte als würde er platzen. Alles verschwamm vor ihren Augen und sie musste sich an der Bar abstützen, damit sie nicht wie ein Sack zu Boden fiel. Ihr wurde heiß und kalt zugleich, als sie sich schlagartig erinnerte, woher sie dieses Gefühl kannte. Im selben Moment ließ das Gefühl nach und sie sah ihn - einen Erzengel!



Gehetzt schaute sie sich um, sie saß in der Falle! Ruby streckte den Arm aus und ließ einen Stuhl in Richtung des Erzengels fliegen. Mehr als eine Ablenkung sollte das nicht sein, das war ihr klar, aber ohne sichtliche Mühe blockte das Geschöpf des Himmels den Angriff ab und ließ den Stuhl sanft wieder zu seinem Platz gleiten, wo er auf dem Boden aufsetzte, ohne auch nur das kleinste Geräushc zu machen. "Wir haben keine Zeit für diesen Quatsch. Ich muss mit Dir reden." - Der unscheinbar wirkende Mann deutete auf den Tisch.



Sie wusste, dass sie einem solch mächtigen Wesen niemals gewachsen war, also  zuckte sie mit den Schultern und setzte sich an den großen Tisch. Der Erzengel blickte sich in dem Raum um "Sieht aus wie eine Bar hier, wie wäre es mit etwas zu Trinken, da redet es sich gleich besser!" Wutschnaubend ging Ruby zur Theke und holte eine gute Flasche Wein sowie zwei Gläser, die sie auf den Tisch stellte und mit dem Wein füllte. Er nippte an seinem Glas und nickte ihr zu. "Also gut, ich will es kurz machen. Du weißt was ich bin und zu was ich fähig bin. Am liebsten würde ich eure ganze Brut vom Antlitz dieser Welt tilgen. Aber ich brauche Deine Hilfe." - Ruby hob überrascht und ein wenig amüsiert eine Augenbraue. "Wieso sollte ich Dir helfen? Was ist für mich dabei drin?"



Der Erzengel sah sie einem Moment an und fuhr dann fort: "Ich sehe noch einen kleine Rest Deiner ursprünglichen Seele in Dir... " - Er hält kurz inne - "Ruby! Vielleicht gibt es ja noch eine Rettung für einige von Euch. Das wäre mir allerdings relativ egal, wenn die Situation nicht so ernst wäre. Eine Kreatur mit Kräften gleich denen Luzifers macht sich gerade an, durch den Höllenschlund in eurer Stadt diese Welt zu betreten. Wenn er es nicht sogar selbst ist. Ich muss Dir nicht sagen, was das für Dich und Deinesgleichen bedeuten würde. Ihr hattet schließlich einen Grund, warum ihr aus der Hölle hier her geflüchtet seid." - Ruby überlegte fieberhaft. Nein, sie war gerade erst in diese Welt gekommen und wollte bestimmt nicht schon wieder unter einem Dämonenfürsten dienen! Der alte Mann leerte sein Glas und schaute sie mit bohrendem Blick an. "Das Tor selbst ist nicht böse, es ist neutral - wie ein Werkzeug. Ich kann es nur gemeinsam mit einer bösen Macht verschließen, und das auch nur wenn wir Glück haben. Mein Engelsschwert wird die dafür benötigte Energie liefern und mit Dir teilen....Nur so wird es klappen. Im Gegenzug lasse ich Eure kleine Scharade hier in dieser Stadt unbehelligt." - Ruby lächelt und setzt ihr Glas vor sich auf den Tisch. "Dann los, was soll ich tun?".....



Als sie an dem Loch ankamen, konnten sie sich nur noch dank ihrer übermenschlichen Stärke aufrecht halten. Die Erde vibrierte und ein ohrenbetäubendes Tosen unterdrückte jedes andere Geräusch. Der Wind wehte immer stärker und vereinzelte Steinplatten und Geröllbrocken wurden in die Luft gerissen und bildeten eine dichter werdende Mauer um sie und den Abgrund herum. Jetzt galt es keine Zeit mehr zu verlieren!



Der Erzengel sprach ein ihr unverständliches Gebet und in seiner Hand erschien das Engelsschwert. Er schaute noch einmal zu ihr und nickte, dann wandte er sich dem Abgrund zu und streckte seinen anderen Arm nach vorne, die Finger leicht gespreizt. Kleine weiße Blitze zuckten aus seinen Fingerspitzen - immer mehr wurden es und formten eine wabernde, gleißende Kugel, die immer größer anschwoll und auf deren Oberfläche die Blitze immer schneller umherschwirrten. Im nächsten Moment schoss eine Entladung aus der Kugel und stach in die Finsternis des Abgrunds. Ruby konzentrierte sich und tastete mit ihrem Verstand nach der Klinge des Engels. Das Schwert wurde von einem bläulichen Leuchten umhüllt, das unentwegt heller glomm und sie spürte, wie ihre Kräfte durch die Magie der Waffe verstärkt wurden. Es schmerzte höllisch, aber das war zu erwarten, schließlich stammte die Energie nicht gerade aus einer ihr freundlich gesonnenen Quelle. Aus ihren Fingerspitzen strömte schwarzer, dichter Rauch und formte vor ihrem Körper nun ebenfalls eine Kugel.



Rubys Arme ruckten nach vorne und die Kugel schnellte auf den Abgrund zu, wo sie sich in einer ohrenbetäubenden Explosion mit der gleißenden Blitzentladung des Engels traf. Die beiden Energien waberten umher, es schien als wollten sie sich gegenseitig bekämpfen, doch keine der Kräfte schien die Oberhand zu gewinnen. Mit einem Mal war alles vorbei, das Loch war immer noch da, aber die Flammen waren verschwunden und die Dunkelheit schien sich kaum merklich immer weiter in den Schlund zurückzuziehen. Der Lärm war ebenfalls verschwunden, nur der Wind war noch so stark wie zuvor, aber sie merkte, wie auch dieser langsam nachließ.



Erschöpft sank Ruby auf die Knie und schloss die Augen. Sie hatten es tatsächlich geschafft! Ihr Blick ging mit einem Grinsen zur Seite, aber dort war Niemand mehr. Der Engel war verschwunden! Als sie auf den Boden sah, bemerkte sie dort eine Art eingebranntes Abbild des Engels in seiner wahren Form. Er musste seine eigene Lebensenergie bei der Prozedur aufgebraucht haben! Auch in sich selbst spürte sie keine fremde Energie mehr, das Schwert hatte ihr nur kurzzeitig eine größere Macht verliehen, aber immerhin war sie noch am leben. Mühsam kam Ruby wieder auf die Beine und wartete kurz, bis die flimmernden Punkte vor ihrem inneren Auge verschwanden. Sie stöhnte und orientierte sich kurz, dann schleppte sie sich zurück in Richtung ihres Hauses....

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